Weldaer Heimatblaetter


Herausgegeben vom Ortsheimatpfleger Bruno Hake

Erschienen in zwangloser Folge

Nr. 9                                                                      Dezember 1993                                                   9. Jahrgang

Die Grundherrschaft in Welda.

Schon als die Römer nach Germanien kamen, wohnten die einzelnen Grundbesitzer in mehr oder weniger aneinander grenzenden Höfen, curiae oder mansi zu denen in der Regel eine bestimmte Hufe Landes, hoba oder auch mansus genannt gehörte. Daneben gab es kleinere Häuser, Kotten casae mit einem dazu geschlagenen, angerodeten Stück Landes. Eine Anzahl solcher Höfe und Kotten mit dem urbar gemachten Land bildete emschließhch der umgebenden Wälder, Weiden und Heiden, einen Weiler, villa, dessen Bewohner zu einer Gemeinde vereinigt waren. Diese Verbindung diente dem Schutze der Benutzung des Grund und Bodens, sowohl der privaten Grundstücke als auch des Gemeindelandes, der Allmenden .Die Gesamtheit der zu einem Weiler gehörenden Privat‑ und Allmendegrundstücke machten die Gemarkung, marca, aus. Unter den Bewohnern waren nur die Hofeigentümer, die Hübner, hobarii, die Vollberechtigten. Die Köter, casati, hervorgegangen aus späteren Ansiedlungen, aus jüngeren Söhnen, aus gewesenen oder bleibenden Unfreien, denen allen man entweder Teile der Hufen einräumte oder Stücke des Gemeindelandes bewilligte, mußten sich mit geringeren Gerechtsamen, namentlich mit Einschränkungen in der Benutzung des Grundeigentums begnügen. Dieselben Verhältnisse lagen vor, wo die Bewohner der Niederlassung nicht echte Eigentümer waren, sondern wo die gesamte Feldmark einem alleinigen Herrn gehörte. Dieser war es dann, welcher die Höfe und Kotten, deren Mittelpunkt die auf Rechnung des Herrn von herrschaftlichen Beamten verwaltete curtis oder sala, (Herrenhaus) bildete, an Freie und Unfreie zur Bebauung überließ. Auch dabei unterschieden sich die mansionarii (Kleinbauern) und die casati (Bewohner kleiner Häuschen) genau voneinander.

Die Geschlossenheit dieser herrschaftlichen Weiler hat sich ebenso wie die der Villen (Dörfer) freier Leute durch das ganze Mittelalter erhalten. Schon seit der Karolingischen Zeit ging die Mehrzahl der Villen freierLeute durch notgedrungene oder freiwillige Übertragungen unter den verschiedenartigsten Bedingungen in die Hände eines Herrn über.

Die heutigen Gemarkungsgrenzen sind meistens noch identisch mit den Grenzen uralter Gemarkungen. Auch die Gegensätze zwischen den Mansionarien und Casaten, den Vollhüfem und Kothsassen, haben sich erst im 20. Jahrhundert verloren.

Mit dem Begriff einer villa fällt das Wort „Dorf“ zusammen, alt‑ hochdeutsch thorf oder auch doraf, ein Wort, welches allen, auch den ältesten germanischen Sprachen eigen ist, und immer in derselben Bedeutung einer villa, eines vicus, wiederkehrt.

Welda (Wellithi) wird schon in sehr früherZeit als eine geschlossene Villa erwähnt.

Der weiter unten erwähnte Lehenbrief des Bischofs Simon für Gottschalk von Haxthausen vom Jahre 1469 spricht vom „Dorp to Welda“ und überträgt damit wohl das gesamte Dorf mit der gesamten Weldaer Dorfgerechtigkeit und damit die Herrschaft über das gesamte Dorf Welda dem Gottschalk von Haxthausen zu Lehen.

Wie ist nun der Fürstbischof von Paderborn in den Besitz des Dorfes Welda gekommen, das er zunächst dem Rittergeschlecht derer von Wellede und dann 1469 dem Gottschalk von Haxthausen zu Lehen gab?

„Zu allen Zeiten haben Eroberer, die in ein Nachbarland eindrangen, um es zu annektie­ren, einen Teil der Bewohner vertrieben und sich deren Besitztum angeeignet. Nicht anders verfuhren die Franken auf ihren Erober­ungszügen. Auch sie beschlagnahmten verlassene Landgüter, von anderen verjagten sie die Besitzer und erklärten die so gewonnenen Besitzungen als Reichs‑ oder Königsgut. Das oberste und alleinige Verfügungsrecht über Reichsgut hatte der König als Träger der Staatsgewalt. Es diente ihm zunächst zur Stützung militärischer Operationen, später zur königlichen Hofhaltung, zum Unterhalt der königlichen Beamten, zur Ausstattung der zu gründenden Diözesen und Abteien, zur Errichtung königlicher Eigenkirchen, zur Aufbesserung der königIichen und Reichsfinanzen, was endlich übrig blieb, und das war sehr bedeutend, gab er solchen Männern zu Leben. welche sich um den Staat verdient gemacht hatten. Das Grafengut, das älteste Kirchengut der Abbatien und Diözesen, die erste Grunddotation der Reichsabteien, alles dieses war ursprünglich Reichs‑ oder Königsgut, welches zwar zu einem bestimmten Zwecke zugeführt war, aber doch in gewisser Hinsicht der Oberaufsicht des Königs unterstellt blieb. Einen Beweis dafür sehen wir in einer Urkmde von 1032, in welcher Kaiser Konrad II. der Paderbomer Kirche die Grafengewalt der Reinhauser Grafen in den Gauen Agau, Nethegau, Hessengau überträgt. Er überträgt nicht nur die ganze Grafengewalt, sondern auch alle Güter, welche die Reinhäuser in diesen Gauen als Grafengut besaßen. Einen weiteren Beweis liefert uns der Verkauf von Stadt und Stift Hameln durch Kloster Fulda an das Bistum Minden im Jahre 1257. Anläßlich dieses Verkaufes wird der König eigens gebeten, alles was an den Fuldaischen Gütern in Hameln Reichslehen war, besonders aufzulassen. Die zu Reichslehen ausgegebenen Königsgüter fielen also nach Erledigung des Lehensauftrages zur weiteren Verfügung an den König zurück. Es ist anzunehmen, daß die Beaufsichtigurig des Reichsgutes zum Pflichtenkreis des Grafen als reichsunmittelbarem königlichem Beamten gehörte. Die Oberhoheit des Königs über Forst und Wild beruht auf einem anderen Rechtstitel, ist also nicht als Königsgut im obigen Sinne anzusprechen. Wald und Weide, Gewässer und Bäche, kurz die gemeine Mark oder Allmende war niemals einem Einzelnen zu eigen, sondern war Gesamtbesitz und unterstand als solcher der Oberaufsicht und auch dem Mitnutzungsrecht des Landesherrn, des Königs. Er konnte dieses, sein Nutzungsrecht, durch Verleihung des Forst‑ und Wildbannes anderen schenken. mußte dabei allerdings Sorge tragen, daß die Nutzungsrechte der interessierten Markgenossenschaften nicht beeinträchtigt wurden. An diesem königlichen Oberaufsichts‑ und Mitbenutzungsrechte an Forst und Wild nahmen als königliche Oberbeamte auch die Grafen im Bereiche ihrer Grafschaft teil. Während also das eigentliche Königsgut der uneingeschränkten Verfügung des Königs unterstand, war der Forst‑ und Wildbann ein königliches Recht das seine Beschränkung durch die althergebrachten Rechte der Landeseinwohner an der gemeinen Mark oderAllmende erfuhr.

Der sächsische Hessngau ist Jahrzehnte hindurch Kampfgebiet zwischen Sachsen und Franken gewesen. Gerade hier sind die Franken nur langsam vorwärts gekommen. Konfiskationen von Grund und Boden waren darum die Folge. Das konfiszierte Gut wurde Reichs oder Königsgut. So ist es verständlich, daß sich im sächsischen Hessengau besonders viele Spuren alten Königsgutes flnden.“

(Ostendorf: „Beiträge zur Geschichte des sächsischen Hessengaues“ in Warburger Kreiskalender 1925)

Auch in Welda hat sich bis auf den heutigen Tag in der Bezeichnung „Königsberg“ eine solche Spur erhalten.

Mit der oben erwähnten Urkunde von 1032 hatte die Paderborner Kirche die Grafengewalt und die Güter in unserem Gebiet erhalten.

Der Bischof konnte daher die nun ihm gehörenden Besitzungen als Leben vergeben.

Neben den Stiftern Busdorf und Heerse (Neuenheerse), den Klöstern Willebadessen und Wormeln, den Corveyer Landsleuten von Juden, von Pappenheim zu Canstein, den von Pappenheim zu Calenberg, von Asseln und von Geismar, tritt unter den Grundbesitzern in Welda auch ein Ministerialengeschlecht auf. Dieses Rittergeschlecht nannte sich nach dem Ort „von Wellede“.

1188 wird derMinisteriale Conrad von Welle­de in einer Urkunde genannt. Das Rilterge­schlecht derer von Wellede stirbt um 1500 aus.

(Hake: Weldaer Heimatblätter Nr. 3, April 1987 „Das Rittergeschlecht derer von Wellethe“.)

„Nach dem Erlöschen des Geschlechts derer von Welda belehnte der Bischof Simon von Paderbom mit dem seinem Hochstift heimgefallenen Weldaischen Leben Gottschalk von Haxthausen ab rechten Mannlehen.

Der erste über diese Belehnung ausgefertigte Lehenbrief ist datiert von Montag nach St. Vitus des Jahres 1469, und wird in demselben der hier in Betracht kommende Gegenstand der Investur (Belehnung) wörtlich dahin bezeichnet:

„DORP TO WELDA UND KOTESTADEN UND ALLER SYNER TOBEHÖRINGE DAR SüLVES“

Dieser Lehnsbesitz ist in der Descendenz (Nachkommenschaft) Gottschalks von Haxthauam zunächst auf Carl dann auf Elmerhaus und gegen das Jahr 1588 auf Hermann von Haxthausen vererbt worden, welcher im Jahr 1623 gestorben ist. Seine Söhne Elmerhaus und Caspar Friedrich teilten unter dem 29sten December 1623 die auf sie gefallenen väterlichen Güter, bei welcher Teilung das Haus Welda nebst Zubehör an den zweiten Sohn (Casp.Friedr.) gelangte, während der älteste durch die Annahme der Besitzungen zu Lippspringe Stifter einer von denselben benannten Linie seiner Familie wurde.“

„Die durch Caspar Friedrich von Haxthausen gegründete Linie. welcher das Haus zu Welda neben allen dazu gehörigen Pertinenzien (Zubehör) zugefallen, hat bis zum 9ten Mai 1768 bestanden. wo sie mit dem Ober‑Marschall Hermann Adolph von Haxthausen im Mannesstamme erloschen ist“ (Rechtsgutachten beteffend den Rechtsstreit über das Dorp to Welda; Halle, 1840)

Nach dem Tode des Ober‑Marschalls Hermann Adolph von Haxthausen nahm seine Witwe, Marie Therese geborene von Westphalen den Lehnsnachlass in Besitz. Deswegen ist ein jahrelanger Rechtsstreit geführt worden. Die Tochter Wilhelmine heiratete 1787 den in Breitmar (Jülich) geborenen Freiherrn Franz Ignaz von Brackel. Aus dieser Ehe ging der Sohn Franz Ferdinand Amold Joseph Liborius Maria von Brackel hervor, der sich 1827 mit der Freiin Charlotte Leontine von Asbeck vermählte. Zu den sechs Kindern dieses Ehepaares gehörte Ferdinande Maria Theresia von Brackel, die 1835 auf Schloss Welda geborene, bekannte Literatin. Sie repräsentierte neben Friedrich Wilhelm Weber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die anspruchsvolle, katholisch geprägte Literatur Südostwestfalens.

In dem oben erwähnten Rechtsstreit wird der Streitgegenstand ausführlich aufgeführt wie folgt:

I. 110 Morgen Ackerland und 45 Mor­gen Wiesenwachs und Kuhkämpe;

II. Die bei dem Gute Welda befIndlichen Holzungen, belegen zwischen den Forsten des Klosters Wormeln, dem Wettesinger Holze, dem Wittmer Walde und dem Waldeckschen Eichholze, namentlich den Kümmelsberg und Hoppenberg, den Mittelberg und Krebusch, den Sprengel, den Bornemannsgrund, das Wolfthal den Brunelberg, die Perlenseite, die Ibenke, das Eichholz, das Schalksthal, den Kreitbusch, das Papenthal, und außerdem den Iberg und den großen Kern;

III. Dienste, Korngefälle und sonstige kleine Prästationen aus den Dörfern Welda und Worineln nebst den Weinkäufen und der Zehntgänsegerechtigkeit in Welda, namentlich

A. an Diensten

Aus Welda jährlich

8 Spanndienste, 47 Pflugdienste, 326 Ilanddienste;

aus Wormeln jährlich

6 Pflugdienste und 6 Handdienste,­

sodann

B. an Heuer‑Gefällen

aus Welda jährlich

219 Scheffel Roggen und 219 Scheffel Hafer,

aus Wormeln jährlich

18 Scheffel Roggen und 18 Scheffel Hafer,

ferner

C. an kleinen Gefällen

aus Welda jährlich 189 Holzschillinge, 202 Hausschillinge, 162 Hühner und 3240 Eier,

aus Wormeln jährlich 12 Schillinge, 12 Hühner und 240 Eier,

IV. die vor Welda an der Twiste und am Hörlerbache belegenen beiden Mühlen, evtl. das Obereigenthum derselben nebst den auf 124 Scheffel Roggen sich belaufenden Heuergefällen;

V. den adelich freien Sitz zu Welda als Inbegriff derjenigen Eigenschaften und Vorzüge, wodurch adeliche Güter sich von bäuerlichen Besitzungen unterscheiden, namentlich

Schatzfreiheit, Immunität von bäuerlichen Lasten, Schriftsässigkeit, Lmdtagsfähigkeit und Patronatrecht über die Kirche und Schule in Welda;

VI. Jagd‑ und Fischereigerechtigkeit, soweit sie vom Gute Welda aus exercirt werden, insbesondere die erstere in der Weldaer Feldmark und in den unter II. angeführten Holzungen, die letztere in den dortigen Gwässern;

VII. in derselben Art die Hut‑, Weide‑ und Schäfereigerechtigkeit; endlich

VIII.die Patrimonialgerichtsbarkeit über das Dorf Welda nebst der Lumpensammlungsgerechtigkeit, der Kruggerechtigkeit und dem Rechte von den in Welda sich ansiedelnden Personen ein Einzugsgeld zu erheben.“

Im Jahre 1699 wurde eine Lehensspezifikation erstellt, die folgenden Wortlaut hat:

„Welda. Das Borglehen auf der Borg zu Warburg, wie auch die Konstetten unter der Borg in den Huffen haben die von Haxthausen mehrmals in Besitz gehabt; die Wohnung in den Huffen, so vormals eine Vorstatt genannt ist, seynd ruinirt, und die Plätze zu Gartens gemacht, und lassen Ihre hochfürstliche Gnaden daraus das Grundgeld heben.“

„Das Dorff Welda ist gelegen zwischen dem Kloster Wormeln und Stadt Volckmissen, daran die von Haxthausen einen adelfreien Sitz haben, mit angehöriger Gerichtsbarkeit im Dorff, Diensten, Heuer, Hühner und Eyern, Jagensgerechtigkeit und Fischerey, Hüde, Weyde und Schäferei, mit angehörigem sandigen Lande 110 Morgen an Wiesenwachs und Kuhkämpen 45 Morgen. An Gehölze, so mehrenteils Buchen ist, grenzet an das Kloster Wormeln und Wettesinger Holz, Wittmer Wald und eines Theils an das Waldeckische Eichholz. Auch ein Busch, der Iberg genannt, wozu die Weldaischen Eingesessene zum nöthigen Feuerholz mit interessirt. ‑ DieMühle liegt negst am Dorf Welda; es ist eine Mahlmühle.“ (Rechtgutachten betr. den Rechtsstreit über das Dorp to Welda § 10 Abs.2; Halle1840)

Die Weldaer Einwohner hatten aber neben den Leistungen an die von Haxthausen auch noch Leistungen und Lieferungen an die Klöster und andere Berechtigte zu erbringen.

Den Calenbergern waren z.B. nach einem Übergabeprotokoll von 1539 folgende Dienste zu erbringen:

„in Her nafolgen de upkomen warhe und tho behorunge des Huses Calenberrgh:

—–

Item Welda de Denst. jn jtlicher art eynen Dag, de kotter snyden ark eynen Dagh,

—–

Item van dem Hoffe vor dem Door tho Welde Hone und Eigger,

—–

Item Hageman tho Welde gifft des Jars twe morge weze (Weizen?), Wasser (was er) vor­

syne dingeldenst den he van syn hoffe tho Welde schuldig ist“ (Archiv Schuchard Nr. 16)

Der Paderborner Fürstbischof hatte als Grundherr auch das Recht, Grund und Boden an die eigenbehörigen Bauern nach dem Meierrecht, einem erblichen Pachtverhältnis.zu vermeiern. Solange die im Meierbrief niedergelegten Ser­vitute ‑Naturalien, Hand‑ und Spanndienste sowie besondere Sach‑ oder Geldleistungen­ mit der bischöflichen Rentkammer in Neuhaus ordnungsgemäß abgerechnet wurden, blieben der Bauer und seine Erben die Besitzer der Meierstätte.

In Welda gab es 1643 ca. 50 Hausstätten, mit etwa 400 Einwohnern. 7 Vollmeyer, 5 Meyer­familien und 3 Halbmeyerfamilien. Die übrigen Hausstättenbesitzer waren Kötter. Die Meyer besaßen 2 ‑ 4 Hufen Land. Die Kötter durchweg ½  bis 1 Hufe Land. (1 Hufe = 30 Morgen)

(Dr. Wiemers in „Heimatecke“ , Beilage zum Westfäischen Volksblatt 1927; „Größen‑ und Besitzverhältnis der Dörfer zwischen Kloster Hardehausen und Burg Calenberg vor 300 Jahren)

Nach dem Grundsatz des Hochmittelalters, „ein Bauer ‑ ein Grundherr“, waren beide zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes gleichermaßen aufeinander angewiesen. Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit erfuhr die hochmittelalterliche Agrarverfassung durch die Auflösung der Grundherrschaft einen bedeutenden Wandel. Leibherrschaftliche Bindungen lösten sich. Das Bauerntum wandelte sich von bisher personengebundener Unfreiheit in größere Rechtssicherheit und wirtschaftliche Freizügigkeit.

Aber erst als Auswirkung der Französischen Revolution kam mit Beginn des 19. Jahrhunderts Bewegung in die weitgehend erstarrten und verkrusteten politischen und sozialen Strukturen Europas. Lösten zunächst 1802 die Preußen die fürstbischöfliche Herrschaft im Paderbomer Lande ab und leiteten die Säkularisation ein, so brachten 1806 die Franzosen ihre Revolutionsideen ins Land und schrieben sie in die Grundverfassung des von ihnen gebildeten Königreiches West:phalen.

Hatte König Jérome in der Grundverfassumg vom 7. Dezember 1807 „alle Leibeigensclaft, von welcher Natur sie seyn und wie sie heißen möge“, aufgehoben, so war damit die Eigenbehörigkeit der Bauern zwar beseitigt. Zur Neuordnung der Eigentumsverhältnisse, einem wesentlichen Bestandteil der Meierordnung, blieb ihm aber keine Zeit mehr. Nach dem Wiener Kongreß, 1815, kehrten die Preußen zurück. Voraussetzung für das eingeführte Grundsteuersystem war eine exakte Vermessung und die anschließende Bewertung der Flächen. Es entstanden um 1830 die Urkataster. Nach den Geometern kamen die Taxateure, die jede Parzelle zu bewerten hatten, wobei sowohl die Bodengüte als auch die Wegeentfernung den Taxwert bestimmten. Gestaffelt nach den im Meierrecht vorgegebenen Anteilsrechten an der Gemeinheit erhielten sodann alle Teilnehmer ihre Landanteile. Parallel mit der Privatisierung der Gemeinheiten betrieb der preußische Fiskus die Ablösung und Aufhebung der grundherrlichen Eigentumsrechte an den Meierstätten. (Schmude: „Ablösung und Aufhebung der Meierrechte im Delbrücker Land“ die warte Nr. 79 S. 39)

DAS SCHLOSS UND DAS RITTERGUT WELDA

Es ist nicht überliefert an welcher Stelle in Welda die Ritter von Welda und später das Geschlecht derer von Haxthausen ihre Behausungen hatten. Mit ziemlicher Sicherheit darf man jedoch annehmen, daß die Behausungen dort wo heute das Schloß steht oder in der unmittelbaren Nähe lagen. Das Schloß ließ erst 1734 bis 1736 Hermann Adolph von Haxthausen durch den Architekten Justus Wehmer errichten. Die Portale des Haupt‑ und Garteneinganges haben eine reiche Ausstattung, die von dem Bildhauer Göttschau aus Kassel gestaltet wurde. Das Portal über dem Haupteingang

trägt die Wappen derer von Haxthausen und derer von der Lippe mit der Jahreszahl 1734 und der Inschrift „HERMANN ADOLPH VON HAXTHAUSEN ‑ HERR ZU WELDA UND VÖHRDEN ‑ AGNES URSULA LUCIA HELENA VON DER LIPPE ZU VINSEBECK“.

Wappen über dem Haupteingang

Wappen über dem Haupteingang

Das Schloß hängt famifiengeschichtlich und baugeschichtlich mit Schloß Vinsebeck zusammen. Vinsebeck wurde für vier Brüder erbaut, die mittleren Räume dienten dort der gemeinsamen.Nutzung. Obwohl.diese Zweckbestim mung in Welda nicht gegeben war, ist das Vinsebecker Schloß für den Bau des Weldaer Schlosses Vorbild gewesen. Das Vinsebecker Schloß ist 4 m länger, in der Grundrißaufteilung dem von Welda fast gleich.

Für den inneren Ausbau sorgte Franz Arnold von Haxthausen, Domherr zu Paderborn. Die für den Bau benötigten Kalksteine ließ man aus Rübeland im Harz kommen. Das Schloß wurde als regelmäßige Anlage um eine Süd-Nordachse, mit Vorhof, Parkanlage und Orangeriegebäude errichtet. Im 19. Jahrhundert wurde der Vorhof um einen ostwärts angeschlossenen Wirtschaftshof erweitert.

An der Gartenseite ist das Schloß von drei Seiten von einem Wassergraben (Gräfte) umgeben, der immer gut gefüllt um muß, weil das Schloß auf einem Pfahlrost erbaut ist. Als vor Jahren die Gräfte, die das Schloß von drei Seiten umgibt leer war. bekamen die Wände des Schlosses Risse. Heute ist die Gräfte durch einen. Kanal mit dem Hörlerbach verbunden.

Durch regelmäßiges Stauen des Baches wird dafür gesorgt, daß die Gräfte ständig Wasser hat. Noch 1985 kamen bei Schachtarbeiten in der Nähe der Mühle im Hörlerbach, hölzerne Rohre zu Tage, die Bestandteil einer alten Wasserleitung von den Teichen bis zum Schloß waren. Offensichtlich hat diese alte Wasserleitung früher die Gräfte mit Wasser versorgen müssen.

Betritt man das Herrenhaus über die Freitreppe der Hauptseite, kommt man in das Vestibül mit zweiläufiger Treppe und dahinter in den Gartensaal. Dieser ist durch eine Freitreppe mit dem Park, der heute (1993) leider völlig verwildert ist, verbunden. Der damalige Besitzer des Schlosses, Hermann Busch, hat leider die hier über die Gräfte führende Brücke vor einigen Jahren abbrechen lassen, nachdem darüber Einbrecher Zugang zum Schloss gefunden hatten.

Der Westflügel beherbergte früher im Erdgeschoss die Hauskapelle. Als derAltar Mitte der 1960er Jahre von Hardehausen, wohin er ausgelagert war, zurückgeholt wurde, konnten davon nur noch einzelne Teile wiederverwendet werden. Die Mensa dient heute als Voraltar in der St.Kilianskirche. Die Gemälde „Anbetung der hl.Dreikönige“ und die aus der Bekrönung des alten Altares stammende plastische Darstellung der hl. Dreieinigkeit, sind nach einer gründlichen Aufarbeitung heute ebenfalls in der St.Kümskirche untergebracht. Die bei Rodenkirchen in Bau‑und Kunstdenkmäler von Westfalen ‑ Kreis Warburg‑ auf Seite 490 aufgeführten Gemälde und Ahnenbilder sind heute (1993) nicht mehr vorhanden.

Im Erdgeschoss befand sich an der Nordwestecke das Eßzimmer. Die Wände dieses Raumes waren mit Gemälden auf grober Leinwand, die Gartenszenen darstellten, verkleidet.

Die Schloßuhr im Jahr 1993

Die Schloßuhr im Jahr 1993

Die Schloßglocke von 1735 mit der Inschrift „SOLI DEO GLORIA“ war im 2. Weltkrieg für Kriegszwecke beschlagnahmt worden. Der Gutsbesitzer Hennann Busch kaufte sie 1950 vom Bochumer Verein zurück.

Die jetzigen Eigentümer des Schlosses, der Lungenfacharzt Dr. Maluche aus Frankünt, Dr. Ute Kirchberger und Ralf Saenger, wollen das stark verwahrloste Schloss nach und nach wieder in Ordnung bringen.

Die im Erdgeschoss an der Ostseite liegenden Räume sind bereits fertiggestellt und werden bewohnt Auch die Schlossuhr wurde inzwischen von dem Restaurationsbetrieb Paul Holtkamp aus Warburg wieder in Ordnung gebracht. Das Uhrwerk ist 1737 von „M.Christianus Schmit“ aus Dringenberg hergestellt worden. Es ist eine Kugelpendeluhr, die nur die Stunden anzeigt. Ein gleiches Uhrwerk, allerdings mit einem zusätzlichen Halbstundenteil kann im Museum im „Stern“ in Warburg besichtigt werden.

Schäden in der Dacheindeckung verursachten erhebliche Durchfeuchtungsschäden in den Decken. Das Dach ist bereits wieder repariert. Der Festsaal im Obergeväoss nimmt in der Nord‑Südrichtung die Gesamtbreite des Schlosses ein. Die Wände und die Decke sind mit guter Stuckarbeit ausgestattet. Demnächst sollen die erheblichen Beschädigungen, die durch das undichte Dach eingetreten sind, beseitigt werden. Dagegen muß der Park wohl noch einige Zeit im verwilderten Zustand bleiben, weil. die Herrichtung des Herrenhauses größere Geldmittel erfordert, als zunächst angenommen worden war.

EIGENTÜMER DES RITTERGUTES

Wappen der von Wellede

RITTER VON WELLEDE

(erste Erwähnung, Conrad. von Wellede verh. mit Gertrud 1188, letzte Erwähnung, Gottschalk von Wellede verh. mit Ilse von Papenheim 1460, danach nur noch dessen Tochter Cordula 1505 als Priorin des Klosters Wormeln und sein Sohn Gottschalk als Geistlicher 1501.)

 

Wappen der von Haxthausen

Wappen der von Haxthausen

 

 

GOTTSCHALK von HAXTHAUSEN; „derWeiße“

1469, Montag nach St.Vitus, Belehnung mit Welda durch Bischof Simon von Paderborn.

Stammvater der weißen Linie v. Haxthausen oder der sogenannten Apenburger Linie,

Erbmarschal1 des Stifts Nienheerse, ist 1482 mit dem Erbhofmeisteramt belehnt.

Hat 6 Söhne und 1 Tochter. 1.Ehe: N. von der Malsburg. 2.Ehe: Ilse von Calenberg.

CORDT (Carl) von HAXTHAUSEN (1502)

verh. mit Anna (Susanne) von der Mals­burg­.  Hat 4 Söhne und 3 Töchter.

ELMERHAUS vonHAXTHAUSEN * 1515 + 1587

1.Ehe: Catharina (Susanna) von Oeynhausen zu Eichholz * 1526 + 1589 (6 Söhne und 6 Töchter)

2.Ehe: N. von Amelunxen. 3.Ehe: N. von Fresenhusen, in Bellersen begraben

1588 Teilung des Familienbesitzes

Wappen von Hauß

Wappen von Hauß

HERMANN von HAXTHAUSEN erhält Lippspringe und Welda,

Landdrost, * ?    +1623

1.Ehe: Elisabeth von Huberg zu Eichhoff.

2 Ehe: Margarethe von Hauß zu Emighausen

Söhne Elmerhaus und Casper Friedrich teilen am 29.12.1623 die Bezitzungen.

Elmerhaus erhält Lippspringe

und Welda erhält CASPAR FRIEDRICH von HAXTHAUSEN

verh. mit Catharina Maria v. Krevet zu Vernaburg

tritt am 29.12.1623 seinem Bruder Lippspringe ab und vererbt Welda auf seine Nachkommen.

HERMANN von  HAXTHAUSEN zu Welda, Erbmarschall und Senior familiae

verh. mit Goda Catharina v. Haxthausen zu Dedinghausen

JOHANN FRIEDRICH CONRAD von HAXTHAUSEN zu Welda, paderb. Obrist,

1.Ehe: N. von Westphalen. 2.Ehe: Sophia Henrica Franziska von Galen zu Ermelinkhoff. 3.Ehe‑ N. von Hanxleden.

HERMANN ADOLPH v.HAXTHAUSEN * 3.3.1703 + 9.5.1768 Ober‑Marschall; churcölnischer Kammerherr und Geh.­Rat.                         (Erbauer des Schlosses Welda),

1 Ehe: Agnes Ursula von derLippe zu Vinsebeck,

2.Ehe: Marie Therese von Westphalen, Tochter WILHELMINE Therese, Stiftsdame zu Metelen heiratet am 2.2.1788

FRANZ Ignaz von BRACKEL + 23.6.1791

(Ab 1768 prozessieren die von Haxthausen gegen die von Brackel um den Weldaer Besi:tz vor der Paderborner Kanzlei, dem Reichskam­mergericht, dem kgl. Westfälischen Tribunal in Höxter und dem Kassationshof in Kassel.)

FRANZ VON BRACKEL * 29.4.1790  + 25.3.1873                   verh. Mit Charlotte von Asbeck (6 Kinder darunter­ Ferdinande von Brackel).

1802 wird Haus Welda den französischen Trappisten, einer besonders ordensstrengen Abzweigung des Zisterzienserordens überlassen, die dort eine Erziehungsanstalt unterhielten.

Nach einer Untersuchung.durch.die preußische Spezialorganisationskommission wegen.der unmenschlich.strengen Erziehungsmaßnahmen verließ der Orden 1803 die ihnen gegenüber so ungastlichen preußischen Lande.

GEORG HUGO CLEMENS v. BRACKEL  *3.8.1828 + 29.3.1883

verh. mit Alexandra. Wilhelmina, Charlotte v. Eerde

Dr. GRORG Franz Carl Adolf Alex Maria von BRACKEL *28.1.1869

Verh. mit Leopoldine Gfn. v. Hahn

CARL HUG0 von BRACKEL *19.7.1902

erwirbt das Rittergut, im Zwangsversteigerungstermin vom 4.Juli1931 und verkauft das mit Vertrag vom 4.7.1917 an Wilhehn Sagel verpachtete Gut mit Vertrag vom 10.3.1932 an den

VEREIN KATHOLISCHER ARBEITERKOLONIEN lN WESTFALEN.                        

Es waren auf dem Gut ca. 100 „Landstreicher“ untergebracht. Die Leitung der „Kolonie“ oblag 7 Brüder des Franziskmerordens.

§ 3 des Vereinsstatutes vom 8.Mai 1888 lautet:

„Der Zweck des Vereins ist, arbeitslosen aber arbeitsfähigen und arbeitswilligen katho­lischen Männern und Jünglingen Be­schäftigung in ländlichen und anderen Arbeiten zu bieten, um sie hierdurch, sowie durch ernste, sittliche und religiöse Einwir­kung und durch eine strenge Hausordnung zu einem geordneten und arbeitsamen Leben zurückzuführen und ihnen den Weg zum selbständigen Erwerb ihres Lebensunterhalts wieder zu eröffnen, auch ihnen hierbei, soweit möglich, durch Stellenvermittlung behilflich zu sein.

Der Verein hat ferner den Zweck, Trinkerasyle ins Leben zu rufen und zu betreiben.“

REINHARD HENSCHEL

erwirbt das Rittergut im Jahre 1938.

Neben der Land‑ und Forstwirtschaft betreibt Henschel eine Gärtnerei.

Verwalter der Landwirtschaft war Sauerland, verantwortlich für die Forstwirtschaft war Förster Roge und für die Gärtnerei war der Gärtner Herbst, später der Gärtner Werner zuständig.

Während des Krieges 1939/45 waren in der Vorburg an der Südwestecke ca. 25 französische Kriegsgefangene untergebracht.

HERMANN BUSCH

aus Mohringen pachtet 1949 dasRittergut einschl. Schloß. Eigentümer sind noch Reinhard Henschel und Sohn Friedrich.

Busch siedelte 1950 nach hier über und bewirtschaftete den Besitz überwiegend gärtnerisch.

1961 kaufen die Eheleute Hermann und Erika Busch von der Gesamtgröße (186 ha) des Gutes 15,5 ha und zwar den Bereich des Schlosses mit Schloßgarten.

Hermann Busch verkauft die Orangerie mit dazugehörendem Grundstück 1975 an Frau Heide VAUBEL geb. Benteler.

Nach dem Tode von Hermann Busch ist seine Frau Erika ab 1976 alleinige Eigen­tümerin. Sie verkauft 1982 einen Teil der südlichen Vorburg an Frau Roswitha TILLY‑KINTRUP.

Als Frau Erika Busch verstirbt wird die Tochter Renate 1990 Eigentümerin und ver­kauft das Schloßgrundstück 1992 zu je 1/3 an den Lungenfacharzt Dr. Harald MALUCHE, aus Frankfurt, Dr.Ute Kirch­berger geb.Maluche und Ralf Saenger.

110 ha des ehemaligen Rittergutes gingen 1959 über die Deutsche Bauernsiedlung in den Besitz des Landwirts Heinrich LÜCKE und Ehefrau Maria aus Riesel über. Diese nutzten die erworbenen Flächen land­wirtschaftlich.

Von der Gutshofanlage erhielt die Familie Lücke die ostwärts des Schlosses gelege­nen Gebäude.

Der westliche Teil blieb im Eigentum von Her­mann Busch.

Bei der Flurbereinigung 1960 kamen die westlich des Ortes gelegenen Wälder in den Besitz der Dominialverwaltung Arolsen, die ostwärts gelegenen Wälder erwarb die Gemeinde Welda.

Vier Bauernhöfe konnten ausgesiedelt und westlich des Ortes Baugelände, ausgewiesen werden.

Der Sohn Heinrich der Eheleute Heinrich und Maria Lücke erhielt nach dem Tode der Eltern den Besitz 1971. Seine zweite Frau, Dr.Regina Lücke, wurde nach dem Tode ihres Mannes 1986 Eigentümerin. Sie betreibt die Landwirtschaft nicht selbst. Die Ländereien sind verpachtet.

Ferdinande Freiin von Brackel
im Alter von siebzehn Jahren, als sie begann den Roman „Die Tochter des Kunstreiters zu schreiben.

FERDINANDE VON BRACKEL.

Schriftstellerin; geboren auf Schloß Welda am 24. November 1835; gestorben zu Paderborn am 4. Januar 1905. Begraben in Welda.

In ihrem Geburtsort ist die Hauptstraße nach ihr benannt. Fragt man die Einheimischen jedoch nach dem literarischen Werk der Schriftstellerin, so bekommt man bestenfalls einen Hinweis auf das bekannteste Werk „Die Tochter des Kunstreiters“.

Es sollen daher an dieser Stelle einige zeitgenössische Buchbesprechungen festgehalten werden, die über einen Teil des schriftstellerischen Lebens der Ferdiande von Brackel Auskunft geben.

Gedichte. 1. Auflage 1873, 3. Auflage 1895

„Die Verfasserin stellt sich uns hier als eine lyrische Dichterin vor, die ohne Scheu einen Ehrenplatz in unserer Dichterwelt beanspruchen darf. Nicht nur die elegante, fein abgeschliffene Form, die Vollendung und Blüte der Sprache sind es, die diese Gedichte wertvoll machen, es ist auch der Kern tiefer und wahrer Empfindungen und edler Gedanken, der uns immer von neuem entzückt. Der Umstand, daß bereits eine fünfte Auflage des Werkchens nötig wurde, spricht am meisten für den gediegenen Inhalt.“ (Büchermarkt)

Die Tochter des Kunstreiters. Roman

  1. Auflage 1875; 22. Auflage 1904; 1953 Neudruck im Bachem Verlag Köln 131. bis 135. Tausend.

„Wenn unter der Menge der literarischen Erscheinungen eine sich so lebensfähig erweist, wie das Buch der Freiin von Brackel, so ist dies wohl unleugbar ein Beweis dafür, daß es vor anderen große Vorzüge besitzen muß. Und dies ist tatsächlich der Fall. Der Verfasserin reiche Welt­ und Menschenkenntnis tritt auf jeder Seite klar zutage, die Schilderung seelischer Vorgänge, der ganzen Entwicklung eines Charakters versteht sie meisterlich. Mit der schönen Form der Darstellung vereint sie die Lauterkeit des Inhalts, der Tendenz. Auf eine Inhaltsangabe verzichten wir und beschränken uns dairauf, das Werk zuempfehlen.“ (Literar. Courier)

Nicht wie alle Anderen. Novelle

  1. Auflage 1877. 5.Auflage 1898

„Mehr als alle übrigen Schöpfungen der genia­len Novellistin beweist die vorliegende Novel­le, daß Ferdinande von Brackel vorzugsweise für ein gewähltes Lesepublikum schreibe. Sie wird in ihrer Art selbst den routiniertesten bel­letristischen Feinschmecker in hohem Grade beftiedigen.“ (Wiener Literar. Handweiser.)

 Aus fernen Landen.  Mexikanische Novelle.

  1. Auflage 1877 4. Auflage 1898

„Dieser Band hat unseren vollen Beifall und wird hiermit unseren Lesern von Reife als feine, bildendeLektüre empfohlen. Mit der No­velle „Aus fernen Landen“ führt uns die Ver­fasserin unter die heiß empfindenden Bewohnervon Mexiko, wo die Sonne glühend das Blut in den Adern kochen läßt freilich damit auch die Leidenschaft mit ihrem Feuer in des Menschen Brust wachruft. Auch hier tritt der Verfasserin eminente Befähigung, die leisesten Regungen, namentlich des weiblichen Herzens zu belauschen, klar zutage. Die Gegensätze sind mit großer Sicherheit gezeich­net. Manche Szenen, so die Schilderung des Stiergefechts, sind von packender Wirkung.“ (Für Auge und Herz)

Daniella. Roman

1.Auflage 1879  2.Auflage 1905

„Die „Germania“ nennt das Werk „eine wahre Perle belletristischer Literatur“. Die Aus­stattung ist splendid, wie bei allen Ausgaben der geachteten Firma“.

„Ferdinande von Brackel hat mit diesem ihrem Werke fast jene Höhe des sozialen Romans erreicht wie sie von unseren Gegnern und na­mentlich von Fr. Spielhagen längst erstiegen ist, jenes Romans, der die Höhen und Tiefen des Lebens gleichmäßig erfaßt und die wichtigsten Fragen in dichterischer Weise zu lösen sucht.“ (Literar. Handweiser)

Am Heidstock. Roman

  1. Auflage 1881 9. Auflage 1905

„Die Dichtung gehört zu dem Originellsten und Naturfrischesten der ganzen Literatur. Wie Skakespeare, gebietet die Verfasserin über eine Menge von Charakteren, und jeder ist meisterhaft in seiner Art gezeichnet, oft mit wenigen Strichen, öfter sich entwickelnd, aber immer naturgemäß, und wo gar viel Schatten, läßt doch ein Lichtstrahl die Gestalt nicht ohne Mitleid. Hoffentlich wird ein echtes Bild deut­schen Volkslebens in seinem Wirken und Irren, in Kraft und. Schwäche, daß schließlich in Treue und Versöhnung den Friedensbogen wölbt, wie es in „Am Heidstock“ so frisch ge­zeichnet ist seinen gewaltigen Eindruck nicht verfehlen“. (Literar. Rundschau)

Prinzeß Ada.  Novelle

  1. Auflage 1883 5. Auflage 1904

„Einen neuen Roman,‑auch die vorliegende, bescheiden so genannte.Novelle, dürfte mit  Recht als Roman ausgegeben werden ‑ von der Freiin von Brackel nehmen wir nur mit hohen Erwartungen zur Hand. Wir gestehen sofort, daß unsere hochgespannten Ansprüche an das neueste Werk der gefeierten Novellistin vollauf befriedigt, daß sie übertroffen sind. Es ist uns beim Lesen dieser Novelle ergangen, wie beim Anhören eines klassischen Tonstückes. Ge­wisse Sätze, wie in einer musikalischen, so hier in dieser literarischen Schöpfmg ergreifen, packen geradezu schon beim erstmaligen Ver­nehmen; aber die eigentlichen Feinheiten im einzelnen wie in ihrer Fülle faßt der Geist erst beim mehrmaligen Genießen.“ (Vaterland Wien.)

 Der Spinnlehrer von Carrara. Eine Künstler-Novelle, der Wirklichkeit nacherzählt.

1.Auflage 1887  2.Auflage 1904

„Die Kunst der Erzählung ist der Verfasserin in hohem Grade eigen, mit feinem Verständnis hat sie die eigenen Mitteilungen des Künstlers zu einem Idyll gestaltet, das eine eigenartige duftige Poesie atmet und uns den liebgewonnenen Meister in seinem Denken, Dichten und Streben besser schildert und ihn unserm Verständnis und unserm Herzen näher bringt als eine weitschichtige, mit allen Finessen der Rhetorik und der Kritik ausgearbeitete ästhetische Abhandlung.“ (Düsseld. Volksbl.)

Vom alten Stamm. Novelle

  1. Auflage 1889 2. Auflage 1899

„Ferdinande Freiin von Brackel hat in ihrer neuesten Novelle in der ihr in so liebenswürdigem Grade eigenen sinnigen poetischen Weise die Schicksale eines alten adeligen Geschlechtes behandelt, das um seinen Jahrhunderte innegehabten Besitz durch eigene Schuld gekommen, denselben dann zu neuem Eigentum durch die alles versöhnende Macht der Liebe erhält. Der Gedanke, die Geschicke des Hauses durch einen alten Eichenbaum, der mit demselben außerdem innig verwachsen ist, zu enthüllen, ward von der geistvollen Verfasserin so prächtig und fesselnd verwirklicht daß sich der Leser sofort auf das angenehmste mit ihm befreundet.“ (Wochenrundsch. f. dramat. Kunst)

Die Mitteilung solcher wohlwollender Buchbesprechungen könnte noch lange fortgesetzt werden.

Es sollen an dieser Stelle jedoch nur noch die Buchtitel und das Erscheinungsjahr festgehalten werden, soweit sie bekannt sind.

Wem gebührt die Palme.                            1889

Im Streit der Zeit. Roman                          1897

Frühlingsrausch und Herbststürme    1898

Nur eine kleine Erzählung                         1898

Eine Nähmamsell (Novelle)                      1900

Mein Leben                                                        1900

Letzte Ernte (5 Novellen)                          1900

Chic (Novelle)                                                   1901

Die Enterbten                                                  1905

Auszüge aus Ferdinandes Memoiren, dem Buch

„Mein Leben“.

 

1. Die Vorfahren.

Meine Eltern waren Franz Ferdinand Freiherr von Brackel und Charlotte Freifrau von Brackel geb. Freiin von Asbeck.

Der Vater entstammte einem altjülichschen Adelsgeschlechte, dessen Ursprung aber wahrscheinlich in Westfalen im Bistum Paderborn zu suchen ist.

Der Großvater meines Vaters, Carl Hugo von Brackel auf Breitmar, war Generalleutnant in kurtrierschen Diensten und Kommandant von Ehrenbreitstein. Er zeichnete sich als kenntnisreicher und tüchtiger Militär aus, der in hohem Ansehen stand.

Carl Hugo von Brackel und seine Frau, eine Freiin von Berg‑Durfenthal, ein jetzt ausgestorbenes Adelsgeschlecht, hatten sechs Kinder drei Söhne und drei Töchter. Die drei Töchter verheirateten sich mit den Baronen von Wendt auf Hardenberg. Baron von Eerde auf Eyll und von Cloedt auf Laumfort. Die Frau des Letztgenannten war die Großmutter des Freiherrn Burchard v. Schorlemer‑Alst, der in unseren Tagen sich um Kirche und Staat so hohe Verdienste erwarb.

Zwei der Söhne, welche Zwillinge waren, wurden am kurtrierschen Hofe erzogen und wurden beide Domherren: Georg Freiherr von Brackel zu Hildesheim, sein Bruder Wilhelm Domherr zu Springhirschbach. Der letztere war Priester, der erstere, als Freund der Wissenschaften bekannt, lebte zu Hildesheim. Der älteste der Söhne, Franz Ignaz von Brackel auf Breitmar, war in kurpfälzischen Diensten Geheimrat zu Düsseldorf und vermählte sich mit Wilhelmine von Haxthausen auf Welda im jetzigen Kreise Warburg.

Wilhelmine von Haxthausen war die einzige Tochter und das einzige Kind aus der Ehe des Hermann Adolf von Haxthausen und der Therese von Westphalen, Schwester des damaligen Fürstbischofs von Paderborn. Mit ihr erlosch die Linie der Haxthausen von Welda. Lehnsvettern der Haxthausen von Ab­benburg und Thienhausen. Das Gut Welda ver­blieb ihr und ihren Nachkommen nach langen Rechtsstreitigkeiten als Weiberlehen. Ihr Gatte Franz Ignaz verstarb sehr früh, als Tochter und Sohn Ferdinand ein, drei und zwei Jahre zählten.

Sie lebte mit ihren Kindern bald in Düsseldorf bald in Warburg und auch zeitweise in Welda, wie es die unruhigen Zeiten mit sich brachten. Welda stand meist verlassen und war eineZeitlang an eine französische Ordensgenossenschaft von Trappisten vermietet.

Das schöne, von Hermann Adolf von Haxthausen 1735 erbaute Schloß liegt in einem anmutigen Tale der Twiste, einem Nebenflüßchen der Diemel. Die Ausläufer der Weserberge, der hessischen und waldeckschen Höhenzüge umgeben das Tal, das besonders damals an Wiesenflächen reich war, die sich am Ufer der Twiste hinzogen. Damals lagen nur sechs Meierhöfe und die Kirche bei dem Gut; das Dorf lag weiter entfernt, an einem Fleck, der noch jetzt als Alten‑Welda bezeichnet wird. Nach einem heftigen Brande aber siedelten sich die Dorfleute dem Schloß und der Kirche, richtiger gesagt dem Wasser näher an. Jetzt ist es ein von Wohlhabenheit zeugendes hübsches Dorf von etwa 600 Seelen: ein lebhafter, intelligenter Menschenschlag, aus dem schon viele tüchtige Menschen hervorgegangen sind.

Meine Großmutter, Wilhelmine von Brackel-­Haxthausen, stand in meiner Kindheit noch in der Er­innerung vieler damals alter Leute als eine schöne und sehr kluge Dame; das erstere bekunden auch die Porträts, die wir noch von ihr haben.

Sie verkaufte später die Güter ihres Mannes, die Güter Breitmar und Aldenaer, zu Gunsten ihres Erbgutes, das durch die lange Rechtsstreitigkeit sehr belastet war. Ihre Schwäger, die Domherren Georg und Wilhelm von Brackel haben ihr diese Handlung nie recht verziehen.

Mein Vater hatte, wie es jene Zeiten mit sich brachten, eine wechselvolle Jugend. In einem von französischen Priestern gegründeten Konvikt in der Nähe von Münster hatte er seine erste Ausbildung genossen, dann war er auf dem Lyzeum zu Kassel und auf der Universität Marburg. Er entging dem Lose, in französische Dienste treten zu müssen, als einziger Sohn einer Witwe, trat aber in den Freiheitskriegen sogleich in das Heer ein. Er machte indessen nur einige Märsche mit. Als er heimkehrte, war seine Mutter gestorben. Er trat den Besitz des Gutes Welda an, lebte dort erst mit seiner einzigen Schwester Therese von Brackel welche unverheiratet geblieben, und verheiratete sich dann im Jahre 1825 mit Charlotte Leontine Freiin von Asbeck, ein mit meinem Großvater ausgestorbenes Geschlecht, das seine Besitzungen in der jetzt so gewerbereichen Gegend von Wattenscheid hatte.

In meiner Mutter Adern mischte sich verschiedenes Blut väterlicherseits mit holländischer Abstammung. Die Mutter meines Großvaters Asbeck gehörte der Familie derer von Bentinck an. Die Frau meines Großvaters aber, die Mutter meiner Mutter, war eine Französin, eine Marquise de Ghistelles St. Floris, welche die Stürme der Revolution nach Deutschland verschlagen hatten.

Die Ghistelles stammten aus Französisch‑Flandern. In Belgien gibt es auch ein Städtchen Ghistelles, und wir haben auch eine Heilige des Namens, Godeleva de Ghistelles, deren Fest noch jetzt in Belgien hochgefeiert wird.

Von dem Leben meiner Großmutter wäre jedenfalls mehr zu berichten als von ihrer Enkelin. Mit sieben Jahren von ihrem Schlosse Beuvry durch die Revolution verjagt, hatte sie mit ihrem Vater den Weg bis über die Grenze zu Fuß zurückgelegt. Sie entsann sich noch im späten Alter jenes Weges, wo ihr die großen Halme des Wiesengrases durch das Gesicht gefahren, demgemäß sie noch nicht sehr groß war. Als sie über eine Brücke zu den deutschen Truppen gelangt waren, hieß ihr Vater sie niederknien und ein Ave zum Dank sprechen für ihre glückliche Rettung. Viele ihrer Verwandten und Freunde der Familie endeten auf dem Schafott.

Als Hoffräulein von Marie Antoinette hatte ihre Mutter (die aber als sie auswanderten, schon tot war) der Prinzeß Elisabeth von Bourbon sehr nahe gestanden. Wir bewahren noch verschiedene kleine Andenken von ihr, so auch eine Brosche mit dem Bilde Ludwigs XVII. als Dauphin, die von Maria Antoinette meiner Urgroßmutter gegeben wurde.

Meine Großmutter ging damals mit ihrem Vater nach Brüssel, wo er das mutterlose Kind in eine klösterliche Erziehungsanstalt le Berlaiemont tat. Als die französische Republik bis Brüssel vordrang, wanderten sie nach England aus, später wieder nach Brüssel, dann nach Münster, endlich nach Paderborn.

Wir fanden später einen Brief der Hauswirtin aus Münster, wo sie gewohnt, den dieselbe an einen Freund in Oldenburg geschrieben, der ihn fünfzig Jahre später einer ihrer dort verheirateten Töchter sandte. Er sagt darin, er könne nicht nach Oldenburg kommen, sein Haus sei voll französischer Emigrierter; ­ein alter französischer Marquis, der sehr stolz, aber auch sehr brummig sei, alles bemäkle, aber pünktlich zahle. Seine Tochter, eine alte Prinzeß de Gavre, begleite ihn und sein einziges Töchterchen von etwa 17 Jahren, reizend, hübsch, stets froh und liebenswürdig, die den ganzen Tag wie eine Lerche zwitschere und sänge und das Haus froh mache.

Die letztere Eigensclaft hat sie bis in ihr hohes Alter bewahrt. Die Erzählungen ihrer Fahrten und Erlebnisse in der Jugend waren das Entzücken meiner Kindheit.

Zu Paderborn hatte meine Großmutter dann sieben Jahre mit ihrem Vater geweilt. Sie lebten dort in sehr bedrängten Verhältnissen, denn die Gelder aus Frankreich blieben allmählich ganz aus. Meine Großmutter hatte aber tapfer alle Arbeit im Hause übernommen, denn sie konnten sich keine Dienerschaft halten, sie hat auch viel für Geld gearbeitet, um ihrem Vater zu helfen. Hat gemalt gestickt und Handschuhe genäht, um sich einigen Verdienst zu verschaffen. Sie bewahrte bis zu ihrem Ende allen denen, die ihr damals geholfen eine rührende Dankbarkeit. So erinnere ich mich sehr wohl, daß sie stets eine alte Jüdin dort besuchte, die ihr die ersten Tage in Paderborn, wo sie krank war, Suppe geschickt und sich ihrer angenommen hatte.

In Paderborn hatte meine Großmutter auch ihren späteren Mann, den Baron von Asbeck kennen gelernt, der als Oberhofmeister der Prinzeß Kunigunde von Sachsen, Fürst-Äbtissin der Stifte Essen und Thorn (Holland), sowie als Geheimrat des Fürstbischofs Franz Egon von Hildesheim häufig nach der alten Paderstadt kam. Obgleich schon in den Vierzigen und in der Absicht nicht zu heiraten, verlor er doch sein Herz beim ersten Blick an die reizende kleine Französin, der er bei einem heftigen Regen den Ritterdienst leistete, sie unter seinem Schirm nach Hause zu geleiten.

Als er einige Tage später bei dem Marquis Besuch machte, öffnete die kleine Marquise ihm selbst die Tür, ein Tüchlein um den Kopf, die Ärmel hoch aufgeschlagen, die Hände noch voll Seifenschaum, denn sie wusch eben für ihren Vater und hatte geglaubt, es sei dieser, der komme.

Die muntere, einfache Art wie sie diese Situation nahm, die Weise, wie sie aus kindlicher Liebe sich jeder Arbeit unterzog, erhöhte ihren Reiz noch in meines Großvaters Augen und er warb schon sehr bald um sie. Trotzdem er ein vornehmer, sehr begüterter Mann war, war es dem alten Marquis noch gar nicht recht, sein Töchterchen einem deutschen Baron zu geben. Mein Großmütterlein war aber sehr angetan von dem ernsten deutschen Baron und fand es sehr rührend. daß er die kleine, vermögenslose Fremde zur Frau begehre, sie sagte sehr gern Ja und hat es ihm ein langes Leben hindurch mit viel Liebe und Glück vergolten.

Der alte Marquis war ein weniger bequemer Schwiegervater, obschon ihm mein Großvater ein trautes Heim bei sich bot. Er lernte es nie verstehen, daß sein Töchterchen durch und durch ihrer Gesinnung nach eine Deutsche geworden: „Madame est devenue tout ä fait Allemande“ soll ein Tadel gewesen sein, den er ihr oft ausgesprochen. Nichtsdestoweniger muß er ein äußerst frommer und trefflicher Mann gewesen sein; eine Menge kleiner Gebete voller Innigkeit, die in seinen Gebetbüchern lagen, und schöne Worte, die er seinen Enkelinnen geschrieben, sprechen dafür.

Die Erzählungen Großmama’s aber, wie streng er gegen sein einziges Töchterchen bei aller Liebe und Sorge gewesen, waren auch für uns Kinder stets vom höchsten Interesse.

Auch der Großvater Asbeck war ein Mann von großer Frömmigkeit. Meine Mutter sagte oft von ihm, wie sie ihren Vater häufig habe mitbeten hören und wie er dann immer nur dem Herrgott gedankt habe. Als sie ihn einmal geftagt, warum er immer danke, habe er gesagt, der liebe Gott habe ihm durch seine Frau, seine Kinder, seine gesicherte Lebenstellung so viel Glück gegeben, daß er es für unrecht halte, noch um mehr irdisches Wohl zu bitten. Mir hat dies Wort innerer Zufriedenheit großen Eindruck gemacht. umsomehr. als meinem Großvater ja sein größter Wunsch, einen Sohn zu besitzen, unerfüllt blieb.

Meine Mutter war die zweite Tochter dieses Ehepaares, das, so verschieden es war, doch so beglückt sich fühlte.

Meine Mutter war ganz ihres Vaters Kind und hatte bei weitem mehr seine ernste Lebensrichtung, als die lebensfrohe Auffassung der Mutter geerbt. Gleich ihm liebte sie es, geistigen Studien sich hinzugeben; gleich ihm war Vernunft und Pflichttreue der Maßstab ihres Lebens.

Ihr Vater hatte mit Sorgfalt über die Erziehung der vier Töchter gewacht aber meine Mutter stand ihm am nächsten. Sie erzählte oft, wie er sie alle stets ermahnt habe, den Geist zu pflegen, und wenn er sie bei unnützen Handarbeiten gefunden, hätte er gewarnt: „Nicht immer sticheln, die Nadel tötet den Geist“. Trotzdem wurden sie von ihm angewiesen und von der Mutter praktisch vortrefflich angeleitet, jegliche häusliche Arbeit kennen zu lernen und frühe einer Hausführung sich zuzuwenden. Die Eltern waren dabei unterstützt von einer trefflichen Erzieherin, deren pädagogische Leitung auch uns Kindern zugute kam und die ich selbst noch sehr lieben und schätzen lernte, da sie bei meiner Großmutter auch nach der Verheiratung der Tochter verblieb und auf unsere Erziehung Einfluß hatte.

Meine Mutter heiratete früh. Sie kam aus städtischem Kreis, denn wenn die Stadt Essen auch damals noch klein war, so schloß sie doch viel an höherer Gesellschaft ein, da die Stiftsdamen auch nach Aufhebung des Stiftes daselbst wohnen blieben und häufig ihre Verwandten ebenfalls dort hinzogen. Die kurze Zeit von ihrem siebzehnten bis zu ihrem einundzwanzigsten Jahre hatte sie für damalige Zeit viel auf Reisen zugebracht, war mit ihren Eltern in Frankreich, mit ihrer älteren, schon verheirateten Schwester in WestfaIen und in verschiedenen größeren Kurorten gewesen und hatte den Winter zum Teil in Düsseldorf zugebracht wo damals der Prinz Friedrich von Preußen Hof hielt und eine glänzende Gesellschaft um sich versammelte. In den Familien der Salm, Schell und Spee, in denen sie dort lebte, herrschte viel Anregung für Kunst und Wissenschaft und ein sehr vielseitiges Leben.

2. Die Eltern auf Welda.

Es mochte damals für die einundzwanzigjährige junge Frau nicht leicht sein, sich aus so geselligem Kreis nach Wetfalen versetzt zu sehen, das für sie so ganz fremde Gegend war, dazu auf das Gut Welda, das durch lange Vereinsamung einem durch Komfort verwöhnten Auge nicht viel mehr als die nackten Wände bot. Während der langen Jahre der Rechtsstreitigkeit und der Vormundschaft war nichts dort geschehen, im Gegenteil, man hatte alles getan, um das wirklich schöne, großartig angelegte Haus seiner besten Sachen zu entkleiden. Spiegel und Gemälde waren ausgeführt, selbst die marmornen Kamine hatte man ausbrechen wollen. Was an schönen Möbeln dort gewesen, hatte die Großmutter bei ihren vielen Umzügen mitgenommen. Die Kahlheit der Räume, die primitive Einrichtung entlockten meiner Mutter zuerst Tränen, aber Vernunft, Pflichtreue und die Liebe zu ihrem Gatten standen ihr zur Seite, und ihr guter Geschmack verstand es bald, den an sich so schönen Räumen ein besseres und komfortables Ansehen zu geben. Konnte man ein gemütlicheres Zimmer finden, als unser Wohnzimmer? So hell und freundlich mit seinen fünf Fenstern, durch welche die Sonne zu allen Zeiten hereinlugen konnte, mit seinen tiefen Fensternischen, in denen gerade zwei so behaglich plaudern konnten und in denen Arbeitstischchen oder Maltischchen so gut Platz fanden.

Mächtige, bequeme Sofas und Möbel, auf die auch der kräftigste Landjunker sich niederlassen konnte, ohne zu fürchten, sie zum Krachen zu bringen, einige gute Gemälde, hübsche feine Nippsachen, Harmonie in den Farben der Tapeten, Möbel und Vorhänge, ein gemütlicher eiserner Ofen, nebst unschönem aber äußerst bequemen Holzkasten, auf dem die Herren mit Vorliebe Platz nahmen, immer Blumen im Zimmer und Bücher und Zeitungen auf den Tischen ‑das war unser Wohnzimmer.

Es war ein sehr bescheidener Luxus. Man sah, daß nicht mit großen Mitteln gewirtschaftet war, aber immer und allzeit trug es das Gepräge einer feinen und vornehmen Auffassung, eines durchbildeten Geistes und gemütlichen Charakters. O, unser liebes altes Wohnzimmer! Meine Eltern, die allem gemachten Wesen so entgegen waren, nannten es nie Salon, dafür war es nicht elegant genug.

Wenn es aber wahr ist, daß helle, lichte, freundliche Räume auf der Kinder Charakter wirken, dann war dies lichte Zimmer gewiß die Ursache, daß wir Kinder alle ein gut Stück lebensfrohen, offenen und auch einfachen Sinnes mit hinausnahmen in die Welt und ihn auch bewahrten durch alle Stürme des Lebens.

Unser Wohnzimmer lag nach Süden, erfreute sich daher Sommers und Winters behaglicher Wärme; doch konnte man sich des Sommers durch mächtige Läden sehr wohl gegen den zu großen Einfluß der Sonne schützen. Weniger schön war es, daß das Zimmer auf den Hof hinaus sah; zu einer Zeit aber, wo die Herren selbst die Landwirtschaft führten, galt das für einen Vorteil.

Meiner Mutter feiner Sinn liebte sehr, ihre Zimmer und ihre ganze Umgebung zu verbessern und zu verschönern. Mein guter Vater war ein echtes Paderborner Kind, und die haben nicht viel von Verchönerungen im Sinn. Wie es ihnen praktisch dünkt, so haben sie es am liebsten, und dann hegen sie eine große Abneigung gegen die Unruhe wechselnder Eimichtungen, namentlich solcher Einrichtungen, die Schonung und Rücksichten heischen.

So störte es meinen Vater durchaus nicht wenn Brennholz und Bauholz sich hoch auf dem Hofe türmte, wenn man alle landwirtschaftlichen Genüsse aus erster Hand haben konnte.

In solchen Fällen siegt aber der Frauen Wille und Geist! Die Holztürme verschwanden, der Hof wurde umgewandelt und alles zeigte allmählich einen feineren Geschmack. In Kunstsachen hingegen hatte mein Vater ein sehr richtiges Urteil. Was er in der Art angeschafft, zeigte alles den besten Geschmack und war von wirklicher Schönheit.

Wenn Änderungen, wie die eben angedeuteten, geplant wurden, stand ich als Kind heimlich immer auf Papa’s Seite. Wozu ändern? Das einmal Hergebrachte gefiel mir immer besser als die Unruhe des Neuen.

3. Die Geschwister.

Fortsetzung im nächsten Weldaer Heimatblatt!

Berichtigungen zum Weldaer Heimatblatt Nr. 8.

Seite 2, Zeilen 37 und 38 von oben: Der Satz „Das Dorf und die Kirche wurden 1510 von Eberhard Schenk u.A. verbrannt.“, ist zu streichen.

Diese Mitteilung hatte ich übernommen von Holscher, Westfälische Zeitschrift Nr. 41. Es hat sich herausgestellt, daß Holscher sich in der Ortsangabe geirrt hat. Bei Varnhagen, auf den sich Holscher bezieht, heißt es in „Grundlage der Waldeckischen Landes und Regentengeschichte“, Arolsen 1853 S. 46 deutlich „Wellen a.d. Eder“

Seite 14, 15. Zeile von unten, „am 8.3.1805“  muß es heißen „am 8.3. 1782“

Seite 15, 5. Zeile von unten, „Dr. Werner Scherer muß heißen:  „Dr. Bemhard Scherer“.

Sonderprogramm des Museums im

„Stern“ in Warburg.

Die Ortsteile der Stadt Warburg sollen sich nächstens jeweils in einer Sonderausstellung im Museum im „Stem“ darstellen.

Es beginnt Calenberg Anfang 1994. Daran soll sich eine Ausstellung über Welda anschließen. Begleitend zur Ausstellung soll eine kleine Schrift herausgegeben werden, in der die Geschichte und Eigenart des jeweiligen Dorfes repräsentativ dargestellt wird..

Die folgende Aufstellung ist als erste Ideen­sammlung zu verstehen und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Urkunden zur Ersterwähnung des Dorfes und zu weiteren wichtigen Ereignissen.aus der Geschichte des Ortes.
  • Grabungsfunde.
  • Dokumente, Handschriften über besondere Ereignisse, wie 30jährigen Krieg, Revolution 1848, Bauembefreiung, Separation usw.
  • Alte Katasterpläne, Flurbezeichnungen.
  • Dokumente zur Infrastruktur (Post, Bahn, Straßenbau)
  • Modelle des Dorfes oder einzelner Gebäude.
  • Bilder Gemälde und Fotos.
  • Dokumente zur Schulgeschichte.
  • Kunstgegenstände aus sakralen und profanen Gebäuden.
  • Gegenstände aus dem dörflichen Alltag, vor allem solche, die heute nicht mehr gebräuchlich sind. (z.B. Handwerkszeug ausgestorbener Berufe, Dreschflegel Stallaternen, Alte Maße und Gewichte. Geschirre der Zugtiere usw.)
  • Gemeinde‑ und Kirchenchroniken.
  • Wandel der Sozialstruktur.
  • Darstellung des Vereinslebens.
  • Besonderheiten in der Landschaft (Geologische Formationen, Flora und Fauna, Wasserläufe)
  • Sagen, Geschichten, Anekdoten.

Da eine solche Aufgabe nicht vom Ortsheimatpfleger allein bewältigt werden kann, bitte ich dringend um Meldung interessierter Mitarbeiter.

Eine kleine Arbeitsgruppe wäre sicher in der Lage, die gestellte Aufgabe in der verhältnismäßig kurzen Zeit zu bewältigen. Außerdem bitte ich mir mitzuteilen, wer zu der Ausstellung Gegenstände der oben genannten Art beisteuern kann. Der jeweilige Eigentümer erhält seine zur Verfügung gestellten Gegenstände nach Beendigung der Ausstellung zurück.

Hat noch Jemand einen der früher hier üblichen Kreuzscheffel?

Danke für die Mitarbeit!

 

Das Heimatblatt von Welda als PDF Datei herunterladen:

Weldaer Heimatblatt Nr. 9 – Dezember 1993